Neulich auf der Autobahn

Foto einer Autobahn mit touristischer Anzeigetafel

Ja, ihr habt richtig gelesen. Die Ökotussi war mit dem Auto unterwegs. Ging diesmal nicht anders, könnte ich sagen, aber gehen tut natürlich alles. Ich will das gar nicht schön reden. Vier Leute mit Klamotten, Elektroklavier und Schwarzwälder Kirschtorte auf dem Weg in ein kleines Dorf in Süddeutschland. Da war das Auto irgendwie überzeugend einfach. Die Alternative: mit Bahn und Bus vier mal umsteigen und gut anderthalb Stunden länger. Aber immerhin es geht. Das war vor ein paar Jahren noch gar nicht möglich.

Soll ich mich jetzt über dieses kleine Pflänzchen der Klimapolitik freuen? Oder frustriert sein, weil eine Oma mit Krückstock schneller ist als die Verkehrswende? 🤷 Die Antwort darauf hängt von meiner Tagesform ab und heute denke ich einfach nicht darüber nach und staune lieber, was es an deutschen Autobahnen alles zu sehen gibt.

Die Plakate der aktuellen Verkehrssicherheitskampagne. Nicht so kreativ, dass die Gefahr besteht, durch zu langes Glotzen einen Auffahrunfall zu produzieren. So berechtigt die Aussage ist, bei Unfall, Notfall und Baustelle vom Gas zu gehen. Die meisten werden die Rettungskräfte auf den Plakaten kaum wahrnehmen und weiter rasen.

Aber es gibt ja jede Menge tolle Sehenswürdigkeiten. Zumindest wenn man den braunen Schildern am Straßenrand glaubt. Merkendorf historische Krautstadt oder Weißenstadt – Roggenkultur und Kunst. Jedes Mal, wenn ich so eine touristische Unterrichtungstafel sehe, recke ich meinen Hals und versuche irgendetwas hinter dem grünen Dickicht der Autobahn-Bepflanzung zu erhaschen, aber da ist nichts zu sehen. Deshalb ja die braunen Schilder.

Teufelshöhle Pottenstein. Klingt doch toll, oder? Vor allem das grinsende Tiersklett, das aus der Höhle krabbelt, macht mich neugierig.

Ich bin empfänglich für Werbung jeder Art. Ich gebe es zu. Wenn R In der Werbepause beim Fernsehen den Ton ausschaltet und auf dem Handy durch die Fußballergebnisse scrollt, sitze ich da und betrachte gebannt die auf – und zuklappenden Münder auf dem Bildschirm und überlege, was die wohl gerade sagen? Manchmal weiß ich es, weil die Texterinnen eine genial gute Idee hatten, die sich einprägte: Dann geh doch zu .. , Wohnst du noch oder lebst du schon? Für das Beste im Mann. Ich könnte mich jedes mal wegschmeißen, bei dem Spruch. Zum Glück sind bei R neben mir auf dem Sofa die Bartstoppeln eindeutig nicht das Beste.

Bei anderen Werbungen muss ich mir den Text selbst ausdenken. Stehen zwei Landwirte entspannt am Zaun und essen Gummibären. „Wir könnten hier einen Permakulturgarten anlegen“, sagt der eine und deutet auf die Fläche vor sich. „Hecken, Obstbäume, Heukartoffeln, statt staubigem Acker.“

Und eine Bank neben dem Erdbeerbeet“, sagt der andere, „Genial.“

Natürlich könnten sie auch von ihrem neuen großen Traktor träumen oder in Gedanken die Geldscheine zählen, wenn der Acker zu Bauland wird. Jede hat ihre eigenen Träume.

Hier an der Autobahn steht der Text Weiß auf Braun und manchmal haken sich meine Gedanken daran fest, während mein Körper weiter über den Asphalt rast. Kennt ihr noch das Schild: Willkommen in Sachsen-Anhalt, dem Land der Frühaufsteher.

Ich vermisse es. Das neue #moderndenken ist nicht halb so gut. Jedes Mal, wenn ich an dem alten Schild vorbei gefahren bin, habe ich mich gefragt, warum ein Land damit Werbung macht, morgens um sechs, oder um fünf? was ist früh? aufzustehen? Was sind das für Frühaufsteher? Diese Frage hat mich schon etliche Kilometer beschäftigt. Ich bin auch eine Frühaufsteherin. Oder zumindest eine Früh-Wach-Werderin. Ich liege dann im Bett und tippe in mein Handy alles, was mir gerade durch den Kopf geht und versuche R nicht zu stören, der entspannt vor sich hin schnarcht und wilde Tiere verscheucht. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass ich mit diesem Schild gemeint bin. Leben in Sachsen-Anhalt nur Schichtarbeiterinnen? Krankenschwestern? Keine 9 to 5 Bürokraten. So richtige Anpacker halt? Das Land der Macherinnen?

Ja was machen die denn in Sachsen-Anhalt? Sie haben das PlusBus Konzept erfunden, das dann nach Brandenburg rüber geschwappt ist. Sie hatten den Mut, Hundertwasser ein wundervolles Haus in der Magdeburger Innenstadt bauen zu lassen. Ein Symbol dafür, dass angepasstes Bauen mit der Natur möglich ist. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass diese Idee irgendwo im Rest der Stadt noch einmal aufgegriffen wurde. Ach ja, der Ausbau der Magdeburger Tram fällt mir noch ein. (Mein professioneller Mobilitäts-Tunnelblick – entschuldigt bitte). Mehr fällt mir zu Sachsen-Anhalt nicht ein? Seit ich aus Halle weggezogen bin, habe ich dieses Bundesland anscheinend sträflich vernachlässigt. Sorry ihr Frühaufsteher. Das hole ich nach.

Irgendwann schaue ich einmal hinter die braunen Pappschilder auf der Autobahn. Besuche FERROPOLIS, die Stadt aus Eisen, den Bleilochstausee Burgk, den Fernwehpark Oberkotzau und mache eine Deutschlandtour anhand der Autobahn Werbeschilder. Dann natürlich mit dem Rad. So richtig mitten drin in den Highlights der deutschen Lande und nicht mit einhundert-dreißig Kilometer daran vorbei. Aber dafür bräuchte ich Urlaub. So richtig langen Urlaub und das wird erstmal nichts. Am Sonntag geht es schon wieder zurück. Ohne Schwarzwälder Kirschtorte. Dafür alle mindestens zwei Kilo schwerer, wie sich das für ein Familienfest auf dem Land gehört. Ich freue mich jetzt schon auf die Pappschilderwerbung. Auf alte Bekannte und auf Neue, die ich bei der Hinfahrt übersehen habe. Auf irgendetwas muss man sich ja freuen dürfen, wenn man in einer Blechkapsel fest sitzt, zur Bewegungsunfähigkeit verdammt, während man mit einhundert-dreißig Kilometer pro Stunde über den Asphalt rollt.

Nächstes mal also doch lieber die Bahn. Da gibt es weniger Schilder und dafür jede Menge auf- und zu klappende Münder. Manche Dialoge würde ich bestimmt gerne umschreiben. An anderen wird sich mein Hirn festhaken. Aber das ist dann eine andere Geschichte.